Packet Radio

Ein weltweites Daten-Netz neben dem Internet? Gibt es nicht? Und wofür soll das gut sein? Gibt es doch! Und es hat seine Berechtigung!

Die Rede ist vom Packet-Radio-Netz der Funkamateure - ein Datennetz, das bereits in den achtziger Jahren, als die breite Bevölkerung noch nichts von Internet wusste, recht flächendeckend in Deutschland verfügbar war.

Und es ist recht einfach, in dieses Netz zu kommen - sofern man allerdings im Besitz einer Amateurfunkgenehmigung und einem dazu gehörigen Rufzeichen ist.

Nach wie vor sind in Deutschland an vielen exponierten Standorten Einstiegspunkte ins Packet-Radio-Netz - sogenannte Digipeater - vorhanden. Klassischerweise schaltet man ein sogenanntes TNC (Terminal Node Controller) zwischen PC und Funkgerät. Dies ist ein kleines Mikroprozessor-gesteuertes Gerät, das das für Packet-Radio notwendige AX.25-Protokoll beherrscht, die von diesem Protokoll vorgeschriebenen "Frames" generiert und die NF-Signale erzeugt, die man direkt in das Funkgerät einspeisen kann, um sie auf die Trägerfrequenz aufzumodulieren. Es wird an eine serielle Schnittstelle des PCs angeschlossen - analog zum alten Telefon-Modem (manche TNCs lassen sich sogar mit AT-Befehlen ansprechen und somit mit "normaler" Modem-Software vom PC aus verwalten).

Mittlerweile gibt es aber auch andere Lösungen, die AX.25-Frames direkt auf dem PC generieren und über die Soundkarte die NF-Signale erzeugen. Dann ist aber noch eine kleine Schaltung notwendig, um über die serielle oder parallele Schnittstelle das Sendekommando (PTT="Push to talk") an das Funkgerät zu geben.

Die Einstiegspunkte laufen meist mit 9600, einige noch mit 1200 Baud. Das klingt im DSL-Zeitalter wenig, ist aber für die Anwendungszwecke durchaus ausreichend. Und: Somit ist ein Einstieg bereits mit einem einfach Handfunkgerät möglich. Es gibt auch Einstiege mit 100000 Baud und mehr, allerdings sind hierfür aufwändigere Funkgeräte nötig.

Die Einstiegspunkte sind untereinander vermascht, so dass es möglich ist, sich auch zu einem fernen Digipeater oder einer dort befindlichen Anwendung durchzuschalten oder z.B. eine Mail dorthin zu schicken. Über ein Routing-Protokoll wissen die Digipeater, wie ein Ziel derzeit am besten zu erreichen ist.

Welche Anwendungen werden denn nun im Packet-Netz angeboten?

  • Mailboxen: Es gibt im Packet-Netz etliche Mailboxen, die untereinander Ihre Artikel austauschen. Hier gibt es zum einen die Möglichkeit, private Mails auszutauschen, die dann an die Heimat-Mailbox des Empfängers zugestellt wird sowie die Rubriken, die wie ein Forum allen Benutzern für Diskussionen und ähnliches zur Verfügung stehen - mailbox-übergreifend. Die Struktur ist also grob den früheren Mailbox-Netzen wie Fido oder Maus ähnlich.
  • Convers: Dies ist ein Dienst, der dem IRC im Internet vergleichbar ist - und offensichtlich haben sich beide Systeme im Laufe ihrer Entwicklung gegenseitig beeinflusst. Hier kann man sich in Echtzeit mit anderen Funkamateuren per Tastatur unterhalten - auch wieder unabhängig vom Einstieg.
  • DX-Cluster: Dies ist ein Dienst, mit dem man veröffentlichen kann, auf welchen Frequenzen man grade mit "seltenen" Stationen gesprochen hat. Er kann dafür benutzt werden, systematisch solche Stationen aufzuspüren und dann (z.B. für Amateurfunk-Diplome) zu "arbeiten", aber auch dafür, die momentanen Ausbreitungsbedingungen einzuschätzen - was vor allen Dingen auf Kurzwelle nicht ganz unwichtig ist.
  • TCP/IP: Natürlich kann man auch TCP/IP im Packet-Netz fahren. Man spricht dann vom AMPRnet (Amateur Packet Radio Network). Es gibt einen RFC, wie IP-Pakete in AX.25 zu verpacken sind. Alle IP-Adressen der Form 44.x.y.z sind für das Packet-Netz reserviert, so wurde mir z.B. die 44.130.42.58 zugeteilt, die unter db3hm.ampr.org im DNS verfügbar ist. Hiermit ist es möglich, die Packet-Dienste mit den üblichen Mail- oder News-Clients, Telnet usw. zu benutzen - und natürlich gibt es auch Webseiten im Packet-Netz.
  • andere: Es gibt viele weitere Dienste im Packet-Netz, z.B. Schnittstellen zu anderen Amateurfunk-Diensten wie Funkruf ("Amateurfunk-SMS"), APRS (automatisches Positionsmeldesystem), Voice-Mailboxen für Sprachnachrichten, Zugriff auf Wetterstationen und vieles mehr. Manche Systeme im Packet-Netz lassen sogar ein Login auf dem Shell-Prompt zu. Und nicht zuletzt kann man auch andere Benutzer direkt connecten, um mit ihnen eine Direktverbindung zu fahren.

Wie sieht, sind hier auch teilweise amateurfunk-spezifische Anwendungen möglich, die im Internet so nicht verfügbar sind.

Auf der Software-Ebene braucht man im einfachsten Fall nicht mehr als ein normales Terminal-Programm, um mit einem TNC im sogenannten Terminal-Mode arbeiten zu können. Hiermit kann man aber die Möglichkeiten des Packet-Netzes nicht voll ausnutzen. Die flexibelste Variante ist es, direkt AX.25 auf dem PC zu realisieren und den TNC im sogenannten KISS-Mode zu betreiben. Dazu ist eine Implementierung von AX.25 auf dem PC nötig. Bei Linux ist diese direkt im Kernel enthalten, unter Windows muss eine Software wie Flexnet eingesetzt werden.

Darauf ausetzend gibt es dann eine Vielzahl von universellen oder spezialisierten Client-Programmen. Für Linux habe ich selbst als universelles Client-Programm LACC (Linux AX.25 Console Client) geschrieben, ein noch unfertiges, aber durchaus brauchbares Programm, was ich täglich benutze. Im Gegensatz zu grafischen Clients wie etwa LinKT bietet es die Möglichkeit, in Pipes usw. eingebunden zu werden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Packet-Netz auch im Zeitalter des Internet seine Berechtigung nicht verloren hat. (Nicht nur) für mich war es sogar der hauptsächliche Anlass, die Amateurfunk-Lizenz zu machen.

Letzte Aenderung: 31.05.2004, 16:45 Uhr