Ein großer Tag für das Heidelberger Max-Planck-lnstitut für Astronomie

Max-Planck-Gesellschaft

Sterne und Weltraum 4/1972 S. 91-93


Das Kernstück des ersten großen deutschen Spiegelteleskops von internationalem Rang, der Rohling des gläsernen Spiegelträgers, wurde am 3. März bei Schott in Mainz gegossen. Damit kommt die Erfüllung eines mehr als 60 Jahre alten Traums deutscher Astronomen einen entscheidenden Schritt voran. Wenn dieses Teleskop etwa 1980 in Betrieb geht, steht den Mitarbeitern des Max-Planck-lnstituts für Astronomie und ihren Kollegen aus der ganzen Welt ein Instrument zur Verfügung, das dem berühmten amerikanischen Mount Palomar-Teleskop ebenbürtig sein dürfte.

Schon vor 60 Jahren wollten die deutschen Astronomen gern in südlichen Ländern eine Sternwarte haben, um nicht – wie in Deutschland leider unumgänglich – die meiste Zeit des Jahres durch Wolken an ihren nächtlichen Beobachtungen gehindert zu sein. Bisher müssen deutsche Astronomen, wenn sie mit leistungsfähigen optischen Teleskopen arbeiten wollen, nach Amerika gehen oder sich auf die Theorie beschränken, in der die deutsche Astronomie nach wie vor einen guten Namen hat. Bei uns gibt es heute nur Spiegelteleskope von 1 Meter Spiegeldurchmesser und darunter.

Als Anfang der sechziger Jahre aufsehenerregende Entdeckungen der Radioastronomen der optischen Astronomie neue Impulse gaben, wollte man auch in Deutschland auf diesem traditionsreichen Forschungsgebiet nicht länger abseits stehen. Die deutschen Astronomen griffen die alten Pläne wieder auf und fanden auch in Bonner Ministerien ein offenes Ohr für ein großes deutsches Sternwarten-Projekt. Es zeigte sich. jedoch bald, dass dessen Realisierung nur innerhalb einer großen Forschungsorganisation möglich sein würde.

So nahm sich die Max-Planck-GeselIschaft des Vorhabens an und gründete 1968 das Max-Planck-lnstitut für Astronomie mit Professor Hans Elsässer als Direktor. Das neue Institut fand zunächst Unterschlupf als Untermieter der Heidelberger Landessternwarte, die zur Zeit in Personalunion gleichfalls von Professor Elsässer geleitet wird. Mit den Bauarbeiten für den neuen Institutskomplex der Max-Planck-Gesellschaft ist in der Nachbarschaft der Landessternwarte auf dem Königstuhl in Heidelberg begonnen worden. 1974 hofft man, diese Räumlichkeiten beziehen zu können. Das Institut soll dann einen Personalstand von etwa 150 Mitarbeitern erreichen. Es wird jedoch nur die Funktion eines "Mutterschiffs" haben und der Vorbereitung der Experimente und Beobachtungen dienen, die dann in zwei eigenen Sternwarten außerhalb der Bundesrepublik durchgeführt werden. Um zu einer umfassenden Beobachtung des gesamten Himmels zu kommen, wird die eine Sternwarte auf der nördlichen Erdhalbkugel, die andere auf der südlichen Halbkugel errichtet. Für die Wahl der Standorte war und ist entscheidend, dass möglichst viele sternklare Nächte zu erwarten sind. So fand man nach sorgfältiger Auswertung von Wettersatelliten-Aufnahmen und nach Sichtuntersuchung an Ort und Stelle eine 2168 Meter hohe, besonders günstige Bergkuppe in Südostspanien, in der Sierra de los Filabres, etwa 60 km nördlich von Almeria. Hier kann man pro Jahr mit etwa 200 Nächten rechnen, während denen jeweils 6 Stunden lang astronomische Beobachtungen und Messungen möglich sind. Ein Vertrag mit der spanischen Regierung über die Errichtung und Betrieb dieser Sternwarte steht zur Zeit unmittelbar vor dem Abschluss.

Diese Nordsternwarte soll ausgestattet werden mit drei großen optischen Geräten, mit einem 1,2-Meter-Teleskop der Deutschen Forschungsgemeinschaft, mit dem Schmidt-Spiegel der Sternwarte Harnburg-Bergedorf und mit einem 2,2-Meter-Teleskop, das zur Zeit bei der Firma Zeiss in Oberkochen im Auftrag der Max-Planck-Gesellschaft gebaut wird und 1973 ausgeliefert werden soll. Möglicherweise findet hier auch das große 3,5-Meter-Teleskop Aufstellung. Man würde damit jedoch lieber auf die Südhalbkugel gehen, von wo aus es noch mehr zu erforschen gibt. Alle großen Teleskope sind bisher auf den nördlichen Sternhimmel gerichtet. Außerdem erhält die Südsternwarte gleichfalls ein 2,2-Meter-Teleskop. Es ist optisch mit dem für die Nordsternwarte identisch.

Der 2350 Meter hohe Gamsberg, etwa 120 km südwestlich von Windhoek am Rande der Namib-Wüste gelegen, auf dem vom Max-Planck-Institut für Astronomie zur Zeit Sichtuntersuchungen durchgeführt werden.

Offen ist bisher noch die Frage, wohin die Südsternwarte des Heidelberger Max-Planck-lnstituts kommen soll. Es bieten sich dafür zwei Standorte an, einer in Chile im Vorgebirge der Anden, der andere in Südwestafrika. Beide sind klimatisch besonders begünstigt durch kalte Meeresströmungen, die vor der Küste von Südamerika beziehungsweise Südwestafrika in Richtung Äquator fließen. Sie lassen die von Westen kommenden Winde schon auf dem Meer abregnen, so dass sie mit dem Auftreffen auf das Land sehr trocken sind. Der Standort in Chile läge in den südlichen Ausläufern der Atacama-Wüste, etwa 500 km nördlich von Santiago de Chile, in der Nähe des Standortes für die europäische Südsternwarte (ESO) und mehrerer Südsternwartenprojekte der USA. Hier sind 219 klare Nächte pro Jahr zu erwarten. Der Standort in Südwestafrika wäre der 2350 Meter hohe Gamsberg, der 120 km südwestlich von Windhoek am Rande der Namib-Wüste liegt. Hier werden zur Zeit Sichtbeobachtungen durchgeführt, die eine wichtige Grundlage für die endgültige Standort-Entscheidung bilden sollen. Die seitherigen Beobachtungsergebnisse deuten an, dass hier die Zahl der klaren Nächte sicher nicht geringer sein wird als in Chile. Für diesen Standpunkt sprechen nicht zuletzt die wesentlich günstigeren Verkehrsverbindungen von Deutschland aus und die Überlegung, dass nicht alle großen Teleskope für die Südhalbkugel in einem eng begrenzten Raum mit gleichen Wetterbedingungen konzentriert sein sollten. Bei größerer räumlicher Trennung könnten sie sich wissenschaftlich viel besser ergänzen. Die Schlechtwetterperioden liegen in Chile zwischen Mai und August, in Südwestafrika dagegen zwischen November und März.

Über den Bau des 3,5-Meter-Teleskops hat die Max-Planck-Gesellschaft im August vergangenen Jahres einen Rahmenvertrag mit der Firma Carl Zeiss in Oberkochen geschlossen. Wenn der jetzt bei der Jenaer Glaswerk Schott & Gen. gegossene Spiegelrohling in einigen Monaten abgekühlt ist, wird er in Oberkochen geschliffen und weiter bearbeitet. Als Gesamtbauzeit für das große Spiegelteleskop muss man mit sechs bis acht Jahren rechnen, so dass die ersten Beobachtungen etwa 1980 möglich sein sollten. Bis dahin dürfte es auf der Welt etwa acht Teleskope dieser Größe und dieses Ranges geben.

In diesen weltweiten Anstrengungen zum Bau neuer großer Teleskope spiegelt sich die erstaunliche Entwicklung der Astronomie der letzten Jahre. Die Weltraumforschung mit Raketen, Satelliten und großen Radioteleskopen – auch diese Forschungsrichtungen werden von der Max-Planck-Gesellschaft in verschiedenen großen Instituten verfolgt – haben die optische Astronomie keineswegs überflüssig gemacht. Vielmehr wurde sie dadurch aufgewertet und befindet sich heute in einer sehr aufregenden Phase. Die neu entdeckten kosmischen Objekte wie Pulsare, Quasare und Radiogalaxien bedürfen ergänzender Beobachtungen und Untersuchungen im optischen Wellenbereich. Astronomisches Beobachten besteht ja heute nicht mehr im simplen photographieren des Himmels, sondern verlangt sehr detaillierte Spektralanalysen von bestimmten kosmischen Objekten.

Ein großes Spiegelteleskop ist zunächst nur, um mit den Worten von Professor Elsässer zu sprechen, ein großer "Korb", in dem möglichst viele Lichtteilchen – sogenannte Lichtquanten – gesammelt werden. Die muss man dann auf vielfältige Weise untersuchen und analysieren. Diese Auswertetechniken sind für den wissenschaftlichen Erfolg genau so wichtig, wie die Größe des Spiegels. Darum wird das große Spiegelteleskop des Heidelberger Max-Planck-lnstituts in seinen Beobachtungsmöglichkeiten keineswegs dem berühmten Mount Palomar-Teleskop nachstehen, obgleich dieses einen 5-Meter-Spiegel hat. Ein entscheidender Vorteil ist dabei auch das neue glaskeramische Material, aus dem der Spiegelträger gegossen wird.

Natürlich wollen die Max-Planck-Wissenschaftler an diesen Instrumenten auch Kollegen von außerhalb im großen Stil arbeiten lassen. Die beiden neuen Sternwarten sollen einmal Zentren internationaler Forschung werden, ähnlich wie das Mount Palomar-Observatorium seit Jahrzehnten den Astronomen der ganzen Welt mit seinen Beobachtungsergebnissen weitergeholfen hat.


Bonn warnt vor Sternwartenbau in Südwestafrika

Jochen M. Raffelberg

Sterne und Weltraum 4/1972 S. 93


Bonn, 9. März (Reuter) – Die Bundesregierung hat der Max-Planck-Gesellschaft aus politischen Gründen mit der Streichung von Finanzmitteln für den Fall gedroht, dass diese Forschungsinstitution in der ehemaligen deutschen Kolonie Südwestafrika das Projekt einer Großsternwarte verwirklichen sollte. Die Max-Planck-Gesellschaft untersucht gegenwärtig noch die wissenschaftlichen Voraussetzungen für den Standort des Observatoriums.

Ein Sprecher der von Bund und Ländern getragenen Einrichtung teilte jedoch mit, dass die Bedingungen in dem von den Vereinten Nationen als Namibia bezeichneten Territorium "außerordentlich" gut seien. Ein Gelände in der Nähe der südwestafrikanischen Verwaltungshauptstadt Windhuk sei bereits in den Besitz der Max-Planck-Gesellschaft übergegangen, fügte der Sprecher hinzu.

Wie der Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Hans-Hilger Haunschild, am Donnerstag auf Anfrage in Bonn bekannt gab, hat der scheidende Wissenschaftsminister Hans Leussink bereits im vergangenen Jahr an die Leitung der Max-Planck-Gesellschaft geschrieben und gebeten, neben Namibia auch andere mögliche Standorte wie Chile, Argentinien und Australien für das Observatorium in Betracht zu ziehen.

Haunschild erklärte, die Gesellschaft habe zu erkennen gegeben, dass sie sich "der Problematik der Angelegenheit" im klaren sei. Wenn sich die Max-Planck-Gesellschaft trotzdem, aus welchen Gründen immer, für Namibia entscheiden sollte, könnten die Geldgeber "durchaus" die Finanzmittel für "einzelne Projekte streichen", sagte Haunschild.

Die der Einrichtung in diesem Jahr von Bund und Ländern bewilligten Zuschüsse betragen den Angaben des Staatssekretärs zufolge rund 300 Millionen Mark.

Schon bei einer früheren Gelegenheit hatte Haunschild erklärt, dass bei "Konflikten zwischen Regierungen und Wissenschaftsorganisationen" in der Frage internationaler Zusammenarbeit der politische Standpunkt "stets ausschlaggebend" sein müsse. "Wissenschaftsorganisationen sollten bei ihren Internationalen Beziehungen daher nur in Übereinstimmung mit ihrer Regierung vorgehen", fügte der Staatssekretär vor der Konferenz Westeuropäischer Forschungsräte in Aarhus (Dänemark) hinzu.

Das Bundeswissenschaftsministerium könne sich im Falle eines widersprüchlichen Verhaltens der Max-Planck-Gesellschaft auch gezwungen sehen, gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt zu handeln. Die Bundesregierung, so unterstrich Haunschild, wolle sich an entsprechende Resolutionen der Vereinten Nationen halten, in denen geraten wird, von Investitionen in Südafrika Abstand zu nehmen.

Der Staatssekretär wies darauf hin, dass eine "vielleicht schon bald auf die Bundesrepublik zukommende Mitgliedschaft in der Weltorganisation nicht so begonnen werden sollte", Eine Entscheidung der Max-Planck-Gesellschaft über die Standortfrage sei in diesem Jahr jedoch nicht mehr zu erwarten, sagte Haunschild.

Auf dem "Gamsberg" wird die Sicht geprüft

Nach Mitteilung der Max-Planck-Gesellschaft (Sitz München) sind dem 1967 gegründeten Max-Planck-lnstitut für Optische Astronomie (Heidelberg) zwei Beobachtungsstationen angegliedert, von denen eine auf der Nordhalbkugel, die andere auf der Südhalbkugel stehen soll.

Die Sternwarte der Nordhalbkugel wird bei Almeria in Spanien errichtet werden. Die Unterzeichnung eines Staatsvertrages sowie eines Regierungsabkommens hierüber steht nach Angaben der Gesellschaft bevor. Als Investitionsvolumen für Almeria wurde eine Summe um 50 Millionen Mark genannt.

Für den Standort der Sternwarte auf der Südhalbkugel bieten sich Namibia, Chile, Argentinien und Australien an. Überall werden zur Zeit Sichtuntersuchungen durchgeführt. Ein Sprecher der Max-Planck-Gesellschaft sprach sich jedoch für Namibia aus.

Zur Begründung führte er an, dass vor allem die wissenschaftlichen Voraussetzungen für den Standort Namibia "außerordentlich" gut seien. Für Namibia sprechen nach Ansicht der Einrichtung auch der kürzere Reiseweg von Europa und "geringe Erschließungskosten".

Die Gesellschaft hat eigenen Angaben zufolge in der Nähe von Windhuk bereits ein "zig Hektar" großes Grundstück gekauft, auf dem Sichtuntersuchungen durchgeführt werden. Das Gelände heißt "Gamsberg".

Auch der Sprecher der Max-Planck-Gesellschaft betonte, dass eine Standortentscheidung noch nicht getroffen worden sei. Die Investitionskosten für das Südhalbkugel-Observatorium sollen etwas niedriger sein als die für das AImeria-Projekt.

Zur Arbeitsausrüstung der beiden Observatorien gehören vier neue Spiegel-Teleskope. Das kleinste von ihnen hat eine Öffnung von 1,23 m, das größte soll eine Öffnung von 3.50 m haben. Die Kosten für dieses, eines der leistungsstärksten erdgebundenen optischen Geräte überhaupt, werden von Fachleuten auf 30 Millionen Mark geschätzt. Seine Bauzeit wird etwa acht Jahre betragen. Das 170 t schwere Teleskop (Gewicht des Rohlings: 13.5 t) soll wahrscheinlich auf der Südhalbkugel eingesetzt werden.


Stellungnahme der MPG

Max-Planck-Gesellschaft

Sterne und Weltraum 4/1972 S. 93-94


Unter der Oberschrift "Bonn warnt vor Sternwartenbau in Südwestafrika" hat die Nachrichtenagentur Reuter am 9. März einen Bericht über die Sternwartenprojekte der Max-Planck-Gesellschaft veröffentlicht, der einer Ergänzung bedarf. Die Max-Planck-Gesellschaft erklärt dazu:

Die Gründung des Max-Planck-lnstituts für Astronomie erfolgte 1968 auf Empfehlung des Wissenschaftsrats mit dem Ziel, die Arbeitsmöglichkeiten der deutschen Astronomen insgesamt zu verbessern. Der Aufbau des Instituts geschieht abschnittsweise mit Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. Neben dem Stamminstitut in Heidelberg wird zunächst eine Sternwarte in Spanien errichtet. Sie erhält zwei Teleskope, eins von 1,2 Meter Öffnung, das andere mit einem 2,2-Meter-Spiegel. Die Frage des Standorts für das große, bereits in Auftrag gegebene 3,5-Meter-Teleskop wird zur Zeit geprüft. Es ist offen, ob es auch in die spanische Sternwarte oder auf die Südhalbkugel kommt. Diese Entscheidung soll in Abstimmung mit anderen europäischen Teleskop-Projekten erfolgen. Darüber wird zur Zeit beraten.

Sollte die Entscheidung über die Aufstellung dieses Teleskops für die Südhalbkugel fallen, würden aus wissenschaftlicher Sicht mehrere Standorte in Frage kommen. Dabei spielen die Sichtmöglichkeiten eine ausschlaggebende Rolle. Vergleichende Beobachtungen werden zur Zeit in Chile und Südwestafrika durchgeführt. Der Ankauf eines größeren Geländes in Südwestafrika dient in erster Linie der Durchführung dieser Untersuchungen. Der Kaufpreis für dieses Wüstenstück betrug seinerzeit etwa 12.000 DM. Ein Vergleich der bisherigen Ergebnisse dieser noch nicht abgeschlossenen Sichtuntersuchungen lässt erkennen, dass die Beobachtungsmöglichkeiten am Standort in Südafrika gleich gut wenn nicht besser als in Chile sind.

Es besteht völlige Obereinstimmung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft und der Max- Planck-Gesellschaft darüber, dass bei der endgültig zu treffenden Standortentscheidung, an der im Senat der Max-Planck-Gesellschaft auch Vertreter der Bundesregierung mitwirken, politische Gegebenheiten voll zu berücksichtigen sein werden.